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„Wir bieten Freiräume, die eigenen Stärken zu entdecken“

Interview mit dem neuen Landesjugendpfarrer Dr. Sven Evers

Die Evangelische Jugend hat eine Vorreiterrolle, von der die Kirchengemeinden profitieren können, sagt Dr. Sven Evers, der seit dem 1. März neuer Landesjugendpfarrer der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Oldenburg ist. In einem Interview äußerte er sich über die Chancen, Probleme und Besonderheiten evangelischer Jugendarbeit.

Seit dem 1. März sind Sie neuer Landesjugendpfarrer für die Evangelisch-Lutherische Kirche in Oldenburg. Was sind Ihre Erwartungen?

Zunächst möchte ich genau wahrnehmen, was in der Evangelischen Jugendarbeit los ist. Dazu werde ich die Hauptamtlichen in der Jugendarbeit besuchen und mich in den Kreisjugendausschüssen und in den Pfarrkonventen vorstellen. Dabei wünsche ich mir, dass wir uns mit Offenheit begegnen und Probleme von Hauptamtlichen und Ehrenamtlichen benannt werden.
Zugleich möchte ich aber einräumen, dass ich bisher keine Idee habe, wie die Jugendarbeit in fünf Jahren aussehen wird. Zurzeit läuft auch noch bis zum Sommer die Evaluation über den derzeitigen Stand der Jugendarbeit. Danach wird zu prüfen sein, wo in den Strukturen noch Veränderungen nötig sein werden oder wo Schulungs- und Begleitungsbedarf besteht.

Wo sind schon jetzt Problemfelder erkennbar?

Es gibt immer wieder Anfragen zur Anbindung der Jugendarbeit an die Kirchengemeinden. Wo und in welchem Umfang sind die Jugenddiakone in den Gemeinden vor Ort? Ist die Vernetzung zwischen den Kirchengemeinden und den Jugenddiakonen eng genug? Da wird es regional sehr unterschiedliche Antworten geben.

Ein zweites Feld ist die Jugendarbeit zwischen Konfirmandenunterricht und Schule. Haben die Jugendlichen sowohl als Teilnehmende als auch als Ehrenamtliche überhaupt noch Zeit für die kirchliche Jugendarbeit, wenn die Schulzeit beispielsweise durch das „Turbo-Abi“ kürzer und ihre Belastungen höher werden? Deshalb gibt es an einigen Orten schon Überlegungen, ob es sinnvoll ist, mit der kirchlichen Jugendarbeit in die Schulen zu gehen. Auch ist zu fragen, ob wir uns mit den Konfirmandencamps, die verstärkt von Kirchengemeinden angeboten werden, nicht auch selber Konkurrenz im Bereich von Jugendfreizeiten machen.

Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Oldenburg bereitet derzeit einen Zukunftskongress vor, der im kommenden Jahr stattfinden soll. Haben Sie dafür schon Ideen?

Für die Evangelische Jugendarbeit wird es beim Zukunftskongress darum gehen, welcher Stellenwert ihr zukünftig eingeräumt wird, wenn es aus demografischen Gründen immer weniger Jugendliche in den Gemeinden gibt. An der Stelle werde ich mich als Landesjugendpfarrer vehement dagegen wehren, dass dann Stellen heruntergekürzt werden.

Wenn bei den Kirchengemeinden argumentiert wird, dass die Kirche in der Fläche präsent bleiben soll, gilt das auch für die kirchliche Jugendarbeit. Zugleich benötigt die Jugendarbeit ein verändertes, ausdifferenziertes Angebot, das beispielsweise die Medien- oder die Kommunikationskompetenz von Jugendlichen stärkt.

Auch darf nicht vergessen werden, dass die Jugendarbeit eine Vorreiterrolle hat. Strukturell hat sie schon Erfahrungen mit Kooperationen gesammelt, von denen Kirchengemeinden profitieren können. Inhaltlich stellt sie sich auf die verschiedenen Milieus in den Gemeinden ein. Die gendergerechte Sprache ist in den Richtlinien der Jugendarbeit entwickelt worden.

Was ist das Besondere an kirchlicher Jugendarbeit?

Kirchliche Jugendarbeit hat keinen Leistungsansatz und ist nicht output-orientiert. In den Sportvereinen beispielsweise geht es darum, gute Ergebnisse in den jeweiligen Sparten zu erzielen oder Leistungsscheine zu erwerben. Das haben wir in der kirchlichen Jugendarbeit nicht. Wir bieten mehr Freiräume, die eigenen Stärken zu entdecken, sich auszuprobieren und sind nicht so festgelegt. Und letztendlich macht sich ein ehrenamtliches Engagement in der kirchlichen Jugendarbeit immer auch gut in einem Lebenslauf.

Wie kann man Jugendarbeit mit der Kirchengemeinde verbinden?

Die beste Verbindung ist immer noch der Konfirmandenunterricht. Und da herum werden ja auch die Angebote der Jugendarbeit gemacht. Konfirmandencamps – das sei kritisch angemerkt – können eine Gemeindeanbindung nicht so schaffen. Die Jugendarbeit will weder eine Parallelkirche sein, noch können Jugendliche dauerhaft an die Gemeinde gebunden werden. Selbst die Erwachsenen suchen sich die Angebote auch jenseits der Gemeindegrenzen aus. Dennoch sollte die kirchliche Jugendarbeit profiliert sein.

Was ist denn das Kirchliche an der Jugendarbeit?

Dass wir die Botschaft von der Liebe Gottes ernst nehmen. Dass die Jugendlichen erleben, dass sie angenommen sind, so wie sie sind, völlig unabhängig von dem, was sie können oder sind. Gleichzeitig dass wir uns für den Nächsten einsetzen, egal wie nah oder fern er ist. Da spielt auch die Frage nach der Gerechtigkeit in der Einen-Welt eine Rolle oder die Frage nach dem ökonomischen Selbstverständnis. Ist die Ökonomie wirklich das, worauf es ankommt?

In der kirchlichen Jugendarbeit sollte sich daher niemand scheuen, von Gott zu reden. Denn die Jugendlichen haben selber religiöse Fragen, nach dem Sinn des Lebens, nach Tod und Sterben usw. Da ist es wichtig, dass die Gemeinde die Jugendlichen als Mitfragende wahrnimmt. Sie sind neugierig und finden auch alte Traditionen, wie alte Lieder oder Meditationsformen, interessant. Deshalb ist die Vermittlung von Altem und Neuem wichtig.

Das Interview führte Hans-Werner Kögel, Pressereferent der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg.

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